Behaglich ist anderswo.
Werke aus der Sammlung.
13. Januar bis 12. Mai 2013
Behaglich lässt es sich in der Kunst selten einrichten. Das Unbehagliche lauert mitunter
in den gewöhnlichsten Ecken, nicht nur der eigene Körper, auch die vertraute Umge-
bung oder die Landschaft als solche bergen ein Potential für ungemütliche Begegnungen.
Nicht ohne Ironie und Augenzwinkern will die Ausstellung mit Werken aus der eigenen
Sammlung auf die Brüche und Verwerfungen in der Kunst und im Leben verweisen.
Der Begriff Behaglichkeit bezeichnet einen körperlichen oder seelischen Zustand subjek-
tiven Wohlbefindens. Er wird oft synonym zu Gemütlichkeit oder auch zu Geborgenheit
verwendet. Behaglich fühlt man sich in einem Raum dann, wenn er eine angenehme
Temperatur aufweist, keine Zugluft herrscht und das Licht nicht zu kalt ist. Der Raum
hat in diesem Sinn einen wesentlichen Einfluss auf unser Empfinden.
Gleiches gilt auch für den Raum in der Kunst, sei dies der abgebildete oder der von ei-
nem Werk eingenommene Raum. Die Ausstellung Behaglich ist anderswo spürt diesem
körperlich-seelischen Zustand nach und macht die (meist) schmale Grenze zwischen
dem Angenehmen und dem Unangenehmen anhand von fünf Themenbereichen erfahr-
bar.
Im Alltäglichen lauern mitunter die \nerschreckendsten Abgründe: In den Fotogra-
fien von Cat Tuong Nguyen wird \ndas Kinderzimmer zum Kriegsschauplatz. Auch
die beiden Ketten von Bessie\n Nager erscheinen ambivalent, sie sind schwer und
zugleich zerbrechlich,\n faszinierend und doch erschreckend. Der triste Lamellen-
storen und der \numgekehrt von der Decke hängende Bürostuhl in der Installation
von Bob \nGramsma lösen durch die von ihnen ausgehende Unpersönlichkeit und
Bedrohlichkeit kaltes Unbehagen aus.
Die Beziehung zwischen \nMensch und Tier ist seit jeher eng und geprägt von der
Wechselwirkung \nzwischen Wildheit und Bezähmung, Gefahr und Unterwerfung. Zu-
dem \nexistiert wohl für fast jede menschliche Eigenschaft das (vermeintlich) \npassen-
de Tier. Ein Ausdruck der Unterwerfung durch den Menschen sind \nTrophäen mög-
lichst seltener Tierarten. Solche hat David Willen für seine\n Serie Verbotene Früchte
fotografiert. Es handelt sich hierbei um \nillegale eingeführte und am Zoll beschlag-
nahmte Objekte. Weit \nprosaischer ist das Spinnennetz von Katrin Freisager. Bei so
viel \nSchönheit stellt sich die bange Frage: Wo ist die Spinne?
Der \nKörper kann zugleich sowohl Freiheit als auch Gefängnis bedeuten. Anina \nSchen-
ker hätte sich kaum auf noch engerem Raum einschliessen können. \nGleichzeitig erin-
nert die Fotografie aber auch an den geschützten \nZustand des Fötus im Mutterbauch.
Auf den ersten Blick sieht die Frau in\n Chantal Michels Fotografie wohlig umfangen
aus in diesem Gebüsch. Bei \nlängerer Betrachtung wird jedoch unklar, ob sie freiwillig
hier liegt. \nWer hat sie in diesen Busch verstrickt? Den weiblichen Körper stellt \nMarian-
ne Müller in ihren Fotografien zur Schau. Indem sie uns in einigen\n Bildern direkt fi-
xiert, stellt sich die Frage nach dem eigenen und dem \nfremden Blick auf den Körper
der Frau.
Landschaft – im Gegensatz\n zu Natur – ist ein Konstrukt des Menschen. Ob sie als
schön, abstossend\n oder gar bedrohlich empfunden wird, hängt vom Blickwinkel des
Betrachters ab. Dies gilt besonders für Bilder im Dämmerlicht wie \nbeispielsweise die
Arbeiten von Maureen Kägi oder Eva Maria Gisler. \nLandschaftsbilder sind immer auch Erinnerungsbilder, und stehen in \nstarkem Zusammenhang mit der Thematik von Kon-
struktion und \nDekonstruktion von Landschaft. Monica Studer und Christoph van den
Berg \nkonstruieren ihre Bergwelt komplett am Computer. Josef Felix Müller löst\n in sei-
nem Gemälde den Blick in einen Bach durch das gewählte Close-up \nfast vollständig
auf und auch Christoph Schreiber lässt den Betrachter \nim Unklaren über das Gezeig-
te, da er mehrere Motive kombiniert und \ndigital verändert.
Der Raum, in dem man sich bewegt, schafft \neine unmittelbare Verbindung zum eige-
nen Körper. Das Metallobjekt von \nReto Boller lehnt an der Wand und korrespondiert in-
tensiv mit seiner \nräumlichen Umgebung und dem Betrachter. Der Künstler arbeitet häu-
fig mit\n vorgefunden, rohen Materialien, die eine frühere Funktion anklingen \nlassen.
Ebenfalls nicht nur visuell, sondern auch körperlich erfahrbar \nist die Fotografie von Ka-
trin Freisager. Dieses Mädchen in ihrer \neigentümlichen Maskierung hinterlässt in Ver-
bindung zum neben ihr \nliegenden Hund ein ungutes Gefühl. Einen weitaus versponne-
neren Kosmos \nschafft Klaus Lutz in seiner Arbeit, die ein Still aus einer Videoarbeit\n ist.
Die Figur erinnert an Astronauten, ihr Tun bleibt letztlich jedoch\n unklar und lässt Spiel-
raum für eigene, gedankliche Welten.
Das\n Unbehagen hängt nicht zwingend mit der Grösse eines Werkes zusammen, \nwie
die Arbeiten eindringlich zeigen. Zudem nimmt in dieser \nSammlungsausstellung der
Ausstellungsraum selber einen gewichtigen \nPlatz ein. Die meist mittel- bis kleinfor-
matigen Werke sind locker \ngehängt, dreidimensionale Arbeiten sind spärlich platziert.
Die \nBetrachter müssen sich meist nahe an ein Bild begeben und sich diesem \ndirekt
aussetzen, um dann mit dieser Erfahrung wieder in den Gesamtraum \nzurückzutreten.
Gezeigt werden Werke von rund 70 \nKunstschaffenden, u.a. Georg Aerni, Klodin Erb,
Franziska Furter, Marcel\n Gähler, Daniela Keiser, Richard Müller, Lutz & Guggisberg,
Mario Sala, Annelies Strba, Miriam Sturzenegger.
Daniela Hardmeier und Manuela Reissmann, Co-Kuratorinnen
Georg Aerni, # 2692-2, Ostermundigen, 2006
Pigment Inkjet Print, 78 x 98cm, Courtesy Galerie Bob Gysin
Klodin Erb, Landschaft 7, 2010
Öl auf Leinwand, 50 x 60 cm, Courtesy Rotwand, Zürich
Blick in die Ausstellung mit Werken von Katrin Freisager, Reto Boller und Klaus Lutz
Andrea Wolfensberger, Welle, 2011, Wellkarton, Tungöllack, 68 x 65 x 110 cm
Klaus Lutz
Field of Powder, 1993/2004
16mm film still
Courtesy: Rotwand, Zürich /
Nachlass Klaus Lutz
Rémy Markowitsch, Nach der Natur, M 8, 1993, Color Print, Acrylglas, Eisen, 43 x 33 cm, Courtesy Galerie EIGEN + ART, Leipzig Berlin