Andrea Büttner mit David Raymond Conroy und Friedensbibliothek/Antikriegsmuseum Berlin
4. März - 7. Mai 2017 (Eröffnung: Freitag, 3. März 2017, 18 Uhr)
Die künstlerische Praxis Andrea Büttners (*1972/D, lebt in London und Frankfurt) ist vielfältig und schafft ein Spannungsfeld zwischen Ethik und Ästhetik, Subjektivität und Kultur. Mit unterschiedlichen Medien wie Holzschnitten, Skulpturen, Textilarbeiten oder Videoinstallationen verhandelt Büttner Themen wie Wertzuschreibung, Armut oder Scham.
Für ihre erste institutionelle Präsentation in der Schweiz erweitert Büttner die Einladung der Kunst Halle Sankt Gallen: Ihre Werke treten einerseits in Beziehung zu einer von der Friedensbibliothek/Antikriegsmuseum Berlin konzipierten Ausstellung über Simone Weil. Andererseits ergänzt David Raymond Conroys Film (You (People) Are All The Same) das inhaltliche Spektrum. Gesamtzusammenhang» vereint künstlerische und nicht-künstlerische Fragen, die sich um Humanität in Verbindung mit Arbeit, Gemeinschaft oder Glauben drehen.
Andrea Büttner interessiert sich in solchen ethischen und ästhetischen
Auseinandersetzungen für Kippmomente. Die Künstlerin arbeitet mit Holzschnitten und zeigt religiöse und symbolisch aufgeladene Motive. Sujets wie tanzende Nonnen, Himmel, Bettler, Münzen, Kartoffeln oder Sätze wie 'I want to let the work fall down' oder 'Yes, I believe every word you say' fordern zeitgenössische Erwartungen heraus, ebenso das Medium Holzschnitt. Die jahrhundertealte Technik kommuniziert direkt und einfach, behält aber eine künstlerische Aura des Gemachtseins bei. Daneben fügt Büttner der Ausstellung architektonische Interventionen hinzu – bespannte Panels aus Textilien, die eigentlich für Arbeitskleidung verwendet werden.
Im Rückgriff auf bestehende Bildformeln oder kulturell konnotiertes Material stellt Büttner auch die Frage nach der moralischen Dimension von Appropriation. Eine Frage, die sich auch im Miteinbezug der Ausstellung über Simone Weil und in Conroys Film stellt. Der Filmemacher problematisiert in (You (People) Are All The Same) den 'Künstler als Beobachter des Anderen' und inwiefern gute Kunst und gute Gesten korrelieren. Sein Werk reflektiert den Entstehungsprozess eines Filmes über Obdachlose in Las Vegas, in dem sich Conroy mit den Möglichkeiten ehrlicher Produktion von Kunst konfrontiert.
Die Humanisierung der Arbeit, die Würde des Menschen, Wärme und Mitgefühl interessieren Büttner nicht nur in den eigenen Werken und Conroys Film, sondern auch im Denken und Handeln der Philosophin Simone Weil. Dafür leiht Büttner für «Gesamtzusammenhang» eine bestehende Ausstellung der Friedensbibliothek/Antikriegsmuseum Berlin über Weil aus. Während der DDR unter der Obhut der Evangelischen Kirche gegründet, war die Friedensbibliothek/Antikriegsmuseum Berlin mit ihren mobilen Ausstellungen Teil einer Widerstandsbewegung: inhaltlich durch regimekritische Akzente und aufgrund der sozialen Vernetzung. Durch diese integrierte Ausstellung entstehen Fragen zur Effizienz von Botschaften und ihren Displays. Büttner überprüft damit auch ihre eigene Kunst in der direkten Konfrontation mit ästhetischen Praktiken, die ihrer eigenen zugleich nah und entfernt sind.
In «Gesamtzusammenhang» wird das Individuum dem gerechten Zusammenleben und einer Diversität von Handlungs- und Vermittlungsmöglichkeiten entgegengesetzt. Dabei verschiebt Büttner das Augenmerk von punktuellen Themen zu übergeordneten Fragen: Humanität wird in ihrer philosophischen, religiösen, künstlerischen und politischen Dimension angegangen.
Andrea Büttner (*1972 in Stuttgart) studierte Kunst an der Universität der Künste Berlin, Kunstgeschichte und Philosophie an der Humboldt Universität Berlin und promovierte 2010 am Royal College of Art in London (PhD). Sie lebt und arbeitet in London und Frankfurt am Main. Einzelausstellungen (Auswahl): Staatsgalerie Stuttgart, Stuttgart (2016); David Kordansky Gallery, Los Angeles (2016); Kunsthalle Wien, Wien (2016); Walker Art Center, Minneapolis (2015); Tate Britain, London (2014); Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main (2013); Whitechapel Gallery, London (2011); Hollybush Gardens, London (2008). Gruppenausstellungen (Auswahl): Mary Boone Gallery, New York (2016); British Art Show 8, Scottish National Gallery of Modern Art, Edinburgh (2016); dOCUMENTA (13), Kassel (2012); 29. São Paulo Biennale, São Paulo (2010).
Veranstaltungen und Vermittlungsprogramm:EröffnungFreitag, 3. März 2017, 18 UhrFührung I/Einführungsabend LehrpersonenDienstag, 7. März 2017, 18 UhrKunst über Mittag – Führung mit anschliessendem MittagessenDonnerstag, 30. März 2017, 12 UhrKosten: CHF 25/Mitglieder CHF 22; Anmeldung an info@k9000.chKunst-Häppchen – Kurze Führung und kleiner ImbissDonnerstag, 13. April 2017, 12.30 UhrKosten: CHF 10/Mitglieder CHF 7; keine Anmeldung erforderlichMalnachmittag – Für Kinder von 4 bis 8 JahrenMittwoch, 26. April 2017, 14 UhrKosten: CHF 5; Anmeldung bis zum Vortag an info@k9000.chFührung IISonntag, 7. Mai 2017, 15 UhrWorkshops für SchulklassenAb dem 8. März bieten wir Workshops in der Ausstellung an.Mehr Informationen: www.k9000.ch (Kunstvermittlung/Workshops für Schulklassen)
David Raymond Conroy, 2016
You (People) Are All The Same, video still
Courtesy: the artist; Seventeen Gallery, London
Exhibition of the Friedensbibliothek/Antikriegsmuseum (Peace Library/Anti-War Museum) of the Protestant Church Berlin-Brandenburg-Silesian Oberlausitz
Andrea Büttner, Beggar, 2016
Courtesy: the artist; Hollybush Gardens, London
David Kordansky Gallery, Los Angeles
Photo: Lee Thompson