Ficht Tanner - gestickte Gedanken
27. März 2012 bis 8. Juli 2012
"Ich fresse mir die Figuren vom Kopf"
Kunststicker, Musiker, Freigeist, Denker, Mystiker - Lebenskünstler. Der in Trogen
lebende Appenzeller Ficht Tanner (*1952) scheint alles in sich zu verkörpern. Ein
Ausnahme-Künstler, der keiner Kategorie zuzuordnen ist. Seine ungewöhnlichen
Stickarbeiten entstehen losgelöst von jedem Trend, ganz aus seiner Person heraus.
Ihm selbst gilt seine Kunst als Form, Farbe und Materie gewordene Gefühle und
Gedanken - ein völlig auf sich selbst bezogenes Gesamtkunstwerk. Alles Innere
bringt Ficht Tanner nach aussen, setz esum in Ton, Strich und Stich.
Nach einer Lehre hat sich der Autodidakt und Querdenker nie gerichtet. Bewusstes
Kunstwollen und gestalterische Absicht verweigert Ficht Tanner kosequent. In sei-
nen Stickarbeiten bringt er Formen hervor, die es gar nicht gibt.
Formen, die nicht der realen Welt entnommen sind, sondern erst im Arbeitspro-
zess geboren werden. Es ist eine anarchistische Kunst, die den Betrachter in tota-
ler Freiheit, aber auch Orientierungslosigkeit belässt. Nimmt Ficht Tanner eine Ar-
beit zur Hand, erläutert er nicht gestalterische Themen oder Techniken, sondern
Prozesse innerer Läuterung. Er sucht mit jedem Stich, verspürt das Drängen einer
Form, presst sie aus sich heraus und lässt sie wachsen.
Vor dem historischen Hintergrund und der Bedeutung der Stickerei für die Ost-
schweiz eröffnet Ficht Tanner neue Dimensionen der Stickkunst.
Fotografie: Heinz Erismann
Ohne Titel, 2011, Stickerei auf Stoff (Detail),
107x176cm, Privatbesitz
Ohne Titel, 2007, Stickerei auf Stoff,
187cmx180cm