Menschen-Bilder - Giordano Gelli &
Véronique Bovet
4. Dezember 2012 bis 10. März 2013
Vernissage: 3. Dezember, 2012, 18.30 Uhr
Mit Giordano Gelli (1928–2011, Atelier La Tinaia, Florenz/Italien) und
Véronique Bovet (1976–2011, Atelier CREAHM Fribourg) sind im ver-
gangenen Jahr zwei KünstlerInnen der Art Brut internationalen Ranges
verstorben, denen das Museum im Lagerhaus mit dieser Ausstellung
eine Hommage widmet. Es handelt sich um zwei sehr unterschiedli-
che Künstlerpersönlichkeiten, die jedoch manches verbindet. Beide
galten in ihrem Lebensraum als gesellschaftliche Aussenseiter: Vé-
ronique Bovet als Autistin und Giordano Gelli als Langzeitpatient in
der psychiatrischen Klinik.
Gelli wie Bovet haben den Weg in ein Kunstatelier gefunden, das spe-
ziell auf Menschen mit psychischen und mentalen Beeinträchtigungen
ausgerichtet ist. Doch trotz ihres Eingebundenseins in das Atelier ha-
ben beide eine sehr eigene künstlerische Ausdruckskraft entwickelt
und ihre Individualität nie verloren.
In beiden Werken steht die menschliche Figur imposant im Zentrum –
expressiv bei Gelli, streng komponiert bei Bovet. In Bildern des Men-
schen zeigt sich das Bild vom Menschen. So ist in diesem Dialog viel
über die Künstlerpersönlichkeit erfahrbar.
Monumental rückt Gelli den Menschen ins Bild. Seine kraftvollen Fi-
guren sprengen die Bildformate. Blicken Einzelfiguren frontal aus
dem Bild heraus, stehen Paare im Profil eng einander zugewandt in
einer Umarmung vereint. Besonders eindrucksvoll sind daneben ein-
zelne, aus Ton modellierte Büsten. Es sind zutiefst existenzialistische
Ausdrucksstudien, die Schmerz, Verzweiflung und Verlorenheit ver-
körpern.
Traumatisiert und schwer verwundet durch einen Bombenangriff im
Zweiten Weltkrieg wird Gelli 1951 in die psychiatrische Klinik in Flo-
renz eingewiesen und ab 1970 dauerhaft hospitalisiert. In diese Zeit
fallen seine ersten Besuche der Künstlerwerkstatt La Tinaia. Hier be-
ginnt er nach längerer Zeit zu zeichnen und auch wieder zu sprechen.
Geredet hat die autistische Künstlerin Véronique Bovet kaum, doch
besucht sie das Atelier CREAHM Fribourg seit seiner Gründung 1999
regelmässig. Wo Gelli in freier Geste malerisch aus der Farbe heraus
arbeitet, bestechen die Werke Bovets durch eine detaillierte Gliede-
rung. Figur und Raum sind mittels klar abgegrenzter Farbfelder de-
finiert. Ein typisches Merkmal ihrer künstlerischen Arbeit ist das Aus-
füllen der Figurzwischenräume mit verschiedenen Mustern, Blumen
oder Dingen. Der Bildraum wird dadurch nivelliert: Figuren und Ob-
jekte erscheinen körperlos neben- und übereinander gelegt und vor
einem raumlosen Grund zu schweben.
Véronique Bovets wie Giordano Gellis Bildfindungen, Kompositionen
und Farbgestaltung sind markant. Ist hier der Kontext der Ateliers
entscheidend, künstlerisches Arbeiten zu ermöglichen, stehen am
Ende jedoch in der Art Brut wie in der professionellen Kunst die star-
ke Künstlerpersönlichkeit mit ihrer individuellen Bildsprache und das
Werk.
"Leute sagen oft, dass Malen Spass ist. Nein! Malen ist mein Leben."
(Myriam Schoen, Atelier CREAHM Fribourg)
Giordano Gelli (1928-2011), "Kopf einer Frau in Rosa (Testa donna rosa)", undatiert, Mischtechnik auf Papier, 100x70 cm, Sammlung Karin und Gerhard Dammann
Véronique Bovet (1976-2011), "Fernand Léger", 2005, Kreide auf Papier, 53x62 cm, Atelier CREAHM Fribourg
Giordano Gelli (1928-2011), "Paar in vielen Farben (Coppia tanti colori)", undatiert, Mischtechnik auf Papier, 100x70 cm, Sammlung Karin und Gerhard Dammann